12 | Friedensangewohnheiten

Ich habe ein Fernziel! Ich möchte eine Stiftung auf die Beine stellen, die Menschen darin unterstützt sich zu begegnen. Ich denke dabei insbesondere an Erwachsene aus Europa und dem Nahen Osten. Klar Begegnung braucht kein Geld, das geht auch ohne. Schöner ist, wenn man als Veranstalter etwas dazu erhält, um ein fantastisches Programm anbieten zu können, welches sich nicht nur aus den Beiträgen der Teilnehmenden finanziert. Der eigene Beitrag stellt dann keine zusätzliche Hürde für mögliche Teilnehmende dar. Es geht dann nur noch um die Frage, traue ich mir diese Reise und das Abenteuer zu?!

Im Sommer von 2018 ist eine fabelhafte Veranstaltung geglückt! Es haben sich 40 Erwachsene aus Israel, Palästina, Jordanien und Deutschland im Westerwald getroffen und eine vielfaltig schöne Woche miteinander verbracht.

Wie kann das gehen? Steht da nicht der Nahost-Konflikt voll im Wege?

Ja, ein bisschen schon. Schon am ersten Abend wurde das Leitungsteam auf die Probe gestellt. Es ging darum, dass die israelische und palästinensische Fahnen nicht nebeneinander auf Fotos zu sehen sein sollten. Das klingt banal. Warum geht das nicht?

Es geht nicht, weil es zu Hause in Palästina falsch verstanden werden könnte. Freunde und Nachbarn unserer 10 Teilnehmenden könnten annehmen, dass sie sich in Deutschland zu Friedensgesprächen mit den Israelis treffen könnten. Unabgestimmte Friedensgespräche sind ungewünschte Initiativen. Diese Annahmen führen zu Gedanken, die den Palästinensern zu Hause und daher auch den palästinensischen Teilnehmenden unserer Veranstaltung Angst machen. Angst ist kein guter Berater. Aus Angst kann Aktionismus entstehen. Unsere Teilnehmenden hatten Angst vor Repressionen der eigenen Freunde und Bekannten zu Hause.

Wie gehen wir miteinander um? Wie reagieren wir auf diese Ängste?

Ich habe euch noch nicht viel von unserer Veranstaltung erzählt. Wir waren 10 Erwachsene aus jedem Land. Davon jeweils eine Frau und ein Mann im internationalen Leitungsteam, welches dieses Treffen geleitet hat. Für 32 Teilnehmende ein Leitungsteam von 8 Personen. Das erscheint erstmal ein bisschen viel.

Das Leitungsteam ist eine eigene Gruppe mit eigenen Dynamiken. Wir haben uns rund 8 Monate vor der Veranstaltung zusammen telefoniert. Wir haben uns online per Skype und Zoom kennengelernt. Unsere Grundidee war es, alles zu beraten und dann alles gemeinsam zu entscheiden. So haben wir während der Veranstaltung fast immer einen Konsens untereinander erreicht. Ganz besonders wichtig ist, dass wir uns für einander und für die Belange unserer Gruppe zusammen- und auseinandergesetzt haben.

Unsere Beratungen und unser Handeln haben am ersten Abend viel Zeit in Anspruch genommen. Wir haben die Ängste angenommen, uns wertschätzend verhalten und angeboten, alle Fahnen abzuhängen. Wir haben vereinbart, darauf zu achten, dass nicht zufällig Fotos in die Presse oder in Facebook oder Instagram geraten, die beide Fahnen nebeneinander zeigen. Wir haben viele kleine Gespräche geführt und einige mehr im Leitungsteam, um uns zu hören und uns abzustimmen.

Wir haben der großen Gruppe vorgelebt haben, wie Verständigung klappen kann.

Dieser erste Abend hat die Weichen für die gesamte Woche gestellt. Es war eine überragend großartige Woche! Wir haben fast alles miteinander geteilt: Nach Geschlechtern getrennte Schlaf- und Sanitärräume, die Küche, das Programm und die Abendgestaltungen. Unsere Wanderungen, Spiele und Gesprächskreise waren immer bunt durchmengt, sodass ein Gleichgewicht zwischen Frau und Mann und allen 4 Nationen da war.

Als eine junge Palästinenserin ihr Zeugnis ablegte, was ihr Grenzen überschreitende Freundschaft bedeutet, habe ich eine Gänsehaut bekommen. Ihre Werte sind unsere Werte. Ihre Ideen sind unsere Ideen. Ihr Konflikt ist ihr Konflikt. Doch ihre Freundschaft ist unsere Freundschaft.

Nach dem ersten Abend sind wir offen und neugierig aufeinander zugegangen. Wir haben geredet, gelauscht, gelacht, getanzt, gegrillt, am Feuer gesungen, gespielt und gestaunt. Zurück bleibt ein großes WOW. Ein WOW was möglich ist, wenn man sich aufmacht, neue Freunde zu finden!

Covid hat dazu geführt, dass die Fortsetzung dieser Veranstaltung auf sich warten lässt. Zwei Mal haben wir sie bereits verschoben. Sie wird in Jordanien stattfinden. Wir möchten mutig wachsen. Wir werden 120 Teilnehmende sein, 30 aus jedem der 4 Länder. Zur Zeit ist es nur ein Traum und der ist einfach traumhaft.

Eines Tages werde ich mit meiner Stiftung Veranstaltungen wie diese hier unterstützen. Veranstaltungen, die Menschen zu Freunde werden lässt. Veranstaltungen, die Freunde in einen WOW-Zustand versetzt.

WOW, das alles ist möglich. – Packen wir es an!